Rundschreiben Dezember 2006

An alle Bayerischen Solar-Initiativen und Energie-Arbeitskreise der Agenda-21

Liebe solare Mitstreiter,

das Eisen der Erneuerbaren Energien ist heiß und wird ständig heißer. Noch nie waren Energie und Klimawandel so in aller Munde, wie heute. Eine Energiewende fordern nicht mehr nur „grüne Spinner“, sondern immer mehr Menschen aus allen Schichten und allen politischen Richtungen.

Mit der Unterstützung wächst allerdings auch der Widerstand der wenigen, aber mächtigen Kräfte aus Wirtschaft und Politik (getragen durch manche Medien und Wissenschaftler), die das alte verschwenderische und zerstörerische, aber profitable fossil-nukleare System aufrecht erhalten wollen. Hier einige aktuelle Themen dazu:

  1. Der immer deutlicher werdende Klimawandel und seine beängstigenden Folgen,
  2. Die Dreistigkeit, mit der die Kohlewirtschaft sog. ‘clean coal‘ durch CO2-Sequestrierung und –Einlagerung salonfähig machen möchte,
  3. Der Druck der Atomkraft-Lobby, eine Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden AKWs zu erreichen,
  4. Die zunehmenden Krisen und Kriege wegen der Erdöl- und Erdgas-Verknappung,
  5. Der Rückschlag, den die Entwicklung der Bio-Treibstoffe (allen voran Pflanzenöl) durch das neue Biokraftstoffquotengesetz erfahren hat

Von der scheinbaren Übermacht der Mineralöl-, Kohle- und Atomwirtschaft sollten wir uns jedoch nicht ins Bockshorn jagen lassen, gerade jetzt, wo die Auseinandersetzung richtig beginnt: bis 2000 wurden wir kaum ernst genommen, eher belächelt. Nun aber geht es zunehmend zur Sache! Und … wir haben ein Gewinner-Thema!

Hiermit melden wir Sprecher uns nach längerer ‚Funkstille‘ zum Jahresabschluss wieder und möchten Euch weiterführende und Mut machende Informationen zu den genannten Themen zukommen lassen, sowie zum 14. Jahrestreffen der Bayerischen Solar-Initiativen am

Samstag, 3. Februar 2007

herzlich einladen.

Das Treffen wird nicht – wie noch in Bamberg am 28.1.06 angekündigt – durch die ‚Energiewende Oberland‘ ausgerichtet, denn sie hat ihr Angebot leider im September zurückgezogen. Schade, aber vielleicht klappt es ja ein anderes Mal. Dankenswerterweise ist ‚Sonnenkraft Freising e.V.‘ eingesprungen. Dieser Verein war vor 13 Jahren Gastgeber des 1.Treffens der Bayer. Solar-Initiativen – nach der deutschlandweiten Premiere der Einführung der kostendeckenden Vergütung in Freising im Oktober 1993.

Beigefügt findet Ihr das vorgesehene Programm sowie weiterführende Informationen.

Auf ein herzliches Wiedersehen am 3. Februar 2007 in Freising und mit sonnigen Grüßen

Ernst Schrimpff
Hans-Josef Fell
Raimund Becher
Peter Rubeck
Sprecher der bayerischen Solarinitiativen

Anlage: Rede der britischen Außenministerin Beckett (pdf, 500kByte)

Weiterführende Informationen und Handlungsmöglichkeiten

1. Klimawandel

Kaum einer zweifelt noch, dass wir uns im Klimawandel befinden. Indizien wie der ungewöhnlich warme und sonnige Herbst, die Taifun-Katastrophe in den Philippinen, der frühe und unerwartet heftige Wintereinbruch mit Stürmen und Stromausfall im sonst so milden West-Kanada und der weltweite Anstieg des Meeresspiegels infolge des Abschmelzens von Gletschern und der Arktis (so dass die ersten Atoll-Inseln Polynesiens unter gehen, und die Einwohner nach Australien flüchten müssen) sprechen eindeutig dafür. Dass Deutschland in 2007 eine besondere Verantwortung aufgrund der EU-Ratspräsidentschaft und des Vorsitzes der G 8 hat, stand schon häufig in der Zeitung. Beiliegend eine hervorragend deutliche Rede der britischen Außenministerin Beckett, die zeigt, wie das Ausland uns sieht, und welche Bedeutung der entschlossene Kampf gegen den Klimawandel und für eine erneuerbare Energieversorgung für den Frieden auf der Welt hat, bzw. bei Untätigkeit zu Unfrieden und weltweiter Unsicherheit führen wird, auch bei uns!

In diesem Zusammenhang kann ‚Immer-noch-Zweiflern‘ der Al-Gore-Film „Eine unbequeme Wahrheit“ sehr empfohlen werden. Auch die Presse bringt fast täglich neue Schreckensmeldungen. Allerdings nun auch verstärkt Anregungen, wie der Einzelne sein Verhalten klimafreundlicher gestalten kann (s. z.B. SZ vom 15.11.06). Leider wird dabei fast ausschließlich auf Energiespar- und Energieeffizienz-Strategien hingewiesen, kaum oder gar nicht auf den Umstieg zu den Erneuerbaren, die jeder von uns in der einen oder anderen Weise vollziehen kann. Offenbar sind die Erneuerbaren bei den meisten Journalisten immer noch ziemlich unbekannt. Ein Zustand, den wir umgehend zu ändern versuchen sollten, angefangen bei der kleinsten Lokalredaktion bis zu den ganz großen Blättern.

An dieser Stelle sollten wir Solar-Initiativen auch deutlich machen, dass Energiesparen und effizienter Umgang mit den herkömmlichen fossil-nuklearen Energien zwar sinnvoll sind, aber die Vermeidung von CO2-Emissionen dadurch nur begrenzt möglich ist. Nur durch den zusätzlichen Umstieg auf 100% Erneuerbare können letztlich die CO2-Emissionen aus dem fossilen Bereich vollständig vermieden werden.

2. Dreistigkeit der Kohlewirtschaft

Angesichts des Klimawandels ist es mehr als dreist, wie die Kohlewirtschaft im Brustton der Überzeugung und aggressiv mit irreführenden Pressemeldungen auftritt:

Die Braunkohlewirtschaft verkündete unter dem Eindruck der Unsicherheit von russischen Erdgas-Lieferungen unlängst, sie wäre die einzige heimisch-nachhaltige und umweltfreund-liche (!) Energie, über die Deutschland verfügen würde. Als ob es keine Erneuerbaren in Deutschland gäbe!!

Zusammen mit der Steinkohlewirtschaft wird ständig die Illusion von ‚clean coal‘ beschwört: Ab dem Jahr 2020 soll es CO2-freie Kohlekraftwerke geben, die sich dadurch auszeichnen sollen, dass das CO2 aus den Brenngasen „sequestriert“ (d.h. ‘entführt‘, abgezweigt) wird und unter hohem Druck in unterirdischen, angeblich dichten Kavernen der ehemaligen Erdöl- und Erdgas-Förderung gepreßt werden soll. Allein die Abtrennung von CO2 aus den Brenngasen ist sehr aufwendig. Dazu kommen die langen Leitungen, die zu den meist wohl kaum nahe gelegenen Kavernen gelegt werden müßten. Die Kosten dieses theoretisch denkbaren Prozes-ses der ‚Sequestrierung‘ sind enorm: Hermann Scheer gibt in seinem Buch „Energie-autonomie“ auf S. 96 an, dass sie zwischen „20 bis 60 € / Tonne CO2 über den Preisen für Effizienzmaßnahmen, Zertifikationspreise und Erneuerbare Energien“ liegen (nach Schätzung des ‚Rates für Nachhaltigkeit‘ der Bundesregierung 2003). Die Kosten solcher CO2-freier Kraftwerke sind demnach schon heute höher als für die Erneuerbaren. Wie wird es erst 2020 sein, wenn die Erneuerbaren wesentlich preisgünstiger, die fossilen Energien dagegen noch teurer sein werden?

Zu bedenken wäre ferner die Frage der Dichtigkeit der Kavernen: Wer garantiert, dass sie auf Dauer dicht halten werden und das CO2 nicht wieder in die Atmosphäre entweicht? Hinzu kommt die Tatsache, dass – mit einer großangelegten CO2-Einlagerung in unterirdischen Hohlräumen – der Biosphäre auf der Erde Sauerstoff in erheblichem Maße entzogen werden würde (nur die Photosynthese vermag aus dem CO2 das O2 wieder verfügbar zu machen!).

Für uns Solar-Initiativen empfiehlt es sich, als Argumentationshilfe die Darstellungen von H. Scheer (Energieautonomie) auf den Seiten 94 – 97 und die angegebenen Quellen gründlich zu lesen.

3. Druck der Atom-Lobby

„30 Jahre Neckarwestheim – 30 Jahre Klimaschutz: Wer Neckarwestheim 1 abschaltet, schaltet den Treibhauseffekt ein. Das Kernkraftwerk Neckarwestheim 1 liefert klimafreundliche Energie ohne CO2 – wie sonst nur die Erneuerbaren Energien“ (Auszug aus der EnBW-Werbung in der SZ vom 6.12.06, S. 22). Mit auffallenden Anzeigen wie dieser (in einem Landschaftsfarbbild wird überdimensional den Umriß des Atomkraftwerkes in Form von grünen Gehölzen dargestellt!) versucht die Atom-Lobby Druck gegen den von der Rot-Grünen Vorgänger-Regierung beschlossenen Ausstieg aus der Atomenergie und für eine Laufzeitverlängerung der AKWs zu machen.. Die Qualität von Atomstrom soll der von Strom aus Erneuerbaren Energien – was den Klima-Einfluss betrifft – entsprechen. Das ist die verlogene Botschaft.

Dabei wissen wir, dass die energieaufwändige Vorkette (Uranerzabbau, Uran-Anreicherung zum Yellow-Cake sowie Brennelement-Herstellung) und die kritische Nachkette (Sicherung und Transport von radioaktivem Müll sowie Rückbau ausgedienter Kraftwerke) keineswegs CO2-neutral sind, sondern überwiegend mit fossiler Energie durchgeführt werden. Darüber hinaus erwärmt der Betrieb der rund 400 AKWs in der Welt mit ihren ständigen Dampfwolken aus den gigantischen Kühltürmen über Jahrzehnte die Atmosphäre, trägt also direkt und nicht unwesentlich zur Klimaerwärmung bei.

Seit einigen Jahren versucht man Atommüll teilweise zu ‚recyceln‘: Es wird energieaufwendig abgereichertes Uran (depleted Uranium) extrahiert und zur Härtung von Panzergeschossen und Bomben eingesetzt. Die hinterhältige, natur- und menschenverachtende Folge: Bei deren Einsatz in Kriegsgebieten wie Bosnien, Serbien, Afghanistan und Irak (zwei mal!!) finden verheerende Verstrahlungen ganzer Landstriche und der dort lebenden Menschen über Jahrtausende statt, ohne dass die Menschen dort es zunächst bemerken. Dokumente wie der Film „Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra“ sollte jeder von uns einmal gesehen haben, um die Ungeheuerlichkeit dieser neuen Waffengeneration annähernd zu begreifen. Unermessliches Leid (Leukämie, bösartige Tumore und alle möglichen Arten von Krebs befallen die Leute, und genetische Veränderungen finden statt, die sich auf Kinder und Kindeskinder übertragen) und Tod erfasst nach und nach einen Großteil der schuldlosen Bevölkerung der o.g. Länder. Die Symptome entsprechen denen von Tschernobyl sowie Hiroshima und Nagasaki. Die weltweite Ächtung der Atomwaffen wird hiermit still und heimlich umgangen!

Was können wir Solar-Initiativen dagegen machen?

  1. Uns selbst informieren, z.B. über sehr gut aufbereitete Information des Bund Naturschutz Bayern (bei Dr. Trautmann-Popp in Bamberg nachfragen!)
  2. Information bei jeder Gelegenheit verteilen, z.B. die handliche Broschüre „Atomkraft: ein teurer Irrweg – die Mythen der Atomwirtschaft“, die im März 2006 vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (!) – BMU herausgegeben wurde und kostenlos unter sevice@bmu.bund.de bestellt werden kann.
  3. Auf den Film „Die Wolke“ hinweisen, der im März 2006 in den Kinos anlief, sowie auf das entsprechende Buch von Gudrun Pausewang (1987): Das AKW Forsmark in Schweden stand ja im August nur 20 Minuten vor einem GAU!
  4. Zu Unterschriften-Aktionen aufrufen, z.B.
    • die von IPPNW zusammen mit dem BN Bayern und der Neuen Richtervereinigung (NRV) unter dem Thema „Sofort volle Haftpflichtversicherung für die deutschen Atomkraftwerke“ (Unterschriften-Listen zu beziehen bei IPPNW-Ärzte unter ippnw@ippnw.de oder Tel. 030-6930244, s. auch www.atomhaftpflicht.de ) oder/und
    • im Internet den EU-weiten Protest gegen den EURATOM-Vertrag, der fristlos (also ewig!) läuft und außerhalb jeder parlamentarischen Kontrolle ist, sowie jährlich den Löwenanteil aller Energie-Forschungsmittel beansprucht (2006 erhält die Atom-Forschung 63 % aller Forschungsmittel, nur 37% alle übrigen Bereiche, allen voran Wasserstoff und Brennstoffzelle, kaum die EE!). Inzwischen sind mehr als 600.000 Unterschriften gesammelt, Ziel sollen über 1 Million sein.

4. Erdöl- und Erdgas-Verknappung

Am 8.12.06 erschien in der Süddeutschen Zeitung auf Seite 32 ein bemerkenswertes Interview mit dem amerikanischen Regierungsberater Matthew Simmonds, der monatelang die Ölfelder Saudi-Arabiens analysiert hat. Ernüchterndes Ergebnis: Entgegen bisheriger Annahmen kann der weltgrößte Öllieferant seine Kapazitäten kaum noch ausweiten. Da die Nachfrage weiter steigt, muss sich die Welt auf einen Ölpreis von 200 Dollar je Faß einstellen. Bis 2010 könnte dieses Preisniveau nach Simmonds erreicht werden.

Seine Empfehlung an die amerikanische Regierung: „Es führt kein Weg daran vorbei, Energie einzusparen, und zwar weltweit, nicht nur in den USA. 70% des Ölverbrauchs fallen allein durch den Transport an. Wenn wir es schaffen, diesen Verbrauch um ein Drittel bis auf 50% zurückzufahren, könnten wir damit ein bis zu 50 Jahre längeres Ölzeitalter erkaufen – Zeit, um an alternativen Energielösungen zu arbeiten.“ Energiesparen und Energie-effizienz sind also angesagt, von Erneuerbaren Energien aber kein Wort. Müssen die erst in den nächsten 50 Jahren erschlossen werden? Und die Klimaveränderung bis dahin?

Bemerkenswert ist aber die Aussage, dass derzeit 70% des Erdöls für das Transportwesen verbraucht werden, also nur 30% für den mehr oder weniger effizienten Einsatz vor Ort zur Verfügung stehen! Weitere Aussagen, die aufhorchen lassen: „Je höher der Ölpreis, desto größer wird der Druck umzudenken. Wir werden uns auf eine Deglobalisierung einstellen müssen.“ Gemeint ist damit wohl eine ‚Regionalisierung‘ der Energieversorgung mit kurzen Transportwegen. Genau das aber wird uns die Nutzung Erneuerbarer Energien ermöglichen, an deren Einführung wir ja gemeinsam arbeiten.

Erstaunlich offen wird Simmonds, wenn er sagt: „Die momentane (weltweite) Ölförderung beträgt knapp 75 Mio. Barrel pro Tag, genauso viel wie schon im Dezember 2005. Schon damals lag die Nachfrage fast 10 Mio. Barrel höher. Die Nachfrage wurde durch Gas befriedigt, das bei der Ölförderung anfällt, mit aufwendiger Technik heruntergekühlt, verflüssigt und mit der Öllieferung verkauft wird.“ (GtL = Gas to Liquids)

Wir erkennen durch diese Aussage, dass …

  1. Die Erdöl-Förderung schon seit 1 Jahr nicht mehr ausreicht, um die Nachfrage zu decken,
  2. Erdgas als GtL das Erdöl-Defizit zu 12 % ergänzt hat,
  3. Eine enge auch wirtschaftliche Kopplung von Erdgas und Erdöl besteht, die zwangsläufig (auch durch die Erdgas-Verknappung) zu steigenden Preisen führen wird.

Umso unverständlicher ist es, dass die Erdgas-Nutzung auch nach dem neuen Biokraftstoffquotengesetz eine vollständige Befreiung von der Mineralölsteuer bis 2018 (!) eingeräumt bekommen hat, während die Biokraftstoffe, allen voran Pflanzenöl und Biodiesel, schon ab 2007 bzw. 2008 mit drastisch bis 2012 steigenden Steuersätzen belastet werden sollen. Damit sind wir beim Thema Nr. 5.

5. Rückschlag für Biokraftstoffe

Die Rot-Grüne Regierungskoalition hatte 2004 im damaligen Mineralölsteuergesetz festge-schrieben, dass alle Biokraftstoffe bis Ende 2009 von der Mineralölsteuer voll befreit bleiben sollten, um deren Marktzugang zu ermöglichen. Im Vertrauen auf dieses Gesetz sind Milliarden Euro investiert worden und es fand ein bemerkenswerter Zuwachs an dezentralen Ölmühlen, an Tankstellen für Biodiesel und Pflanzenöl sowie an Umrüstwerkstätten statt.

Aber schon erste Gedanken einiger Mitglieder der neuen Bundesregierung zu einer Biokraftstoff-Besteuerung im ersten Halbjahr 2006 alarmierten: Pflanzenöl sollte mit 15 Cent je Liter, Biodiesel dagegen mit 10 Cent je Liter besteuert werden. Begründung: Beide Biotreibstoffe seien im Wettbewerb, und da Pflanzenöl weniger aufwendig und preisgünstiger bereit gestellt werden könne, müsse es gegenüber Biodiesel (fairerweise!) höher besteuert werden. Glücklicherweise hat sich diese absurde Argumentation nicht durchgesetzt, aber es ist mit dem letzten, nun gültigen Biokraftstoffquotengesetz vom 26.10.06 nicht besser, sondern mit einer vorgesehenen Vollbesteuerung ab 2012 deutlich schlechter geworden.

Wie aus der Tabelle unten hervorgeht, wird Pflanzenöl als Reinkraftstoff im Verkehrsbereich schon ab 2007 (leicht) bis 2012 (voll) in heftigen Zuwachsschritten besteuert. Ähnlich ergeht es Biodiesel, wobei die Besteuerungsunterschiede von 9 Cent (2006) auf 0 Cent (2011) schrumpfen. Ist das angesichts der 11 % fossiler Energie im Biodiesel (= Methanol aus Erdgas zur Umesterung) und der geringeren Energieeffizienz gegenüber Pflanzenöl (s.u.) berechtigt?

Effektive Besteuerung der Reinkraftstoffe (gemäß BiokrQuoG vom 26.10.06) (Cents je Liter, auf 1 Stelle hinter dem Komma gerundet)

Jahr Pflanzenöl Biodiesel Bioethanol Unterschied
PÖL PME E85 PME – PÖL
2006 0,0 9,0 0,0 9,0
2007 2,2 9,0 1,2 6,8
2008 9,9 15,0 2,0 5,1
2009 18,5 21,6 6,3 3,1
2010 26,5 27,6 6,8 1,1
2011 33,4 33,4 7,1 0,0
2012 45,1 45,1 7,3 0,0
2013 45,1 45,1 7,6 0,0
2014 45,1 45,1 7,8 0,0
2015 45,1 45,1 8,1 0,0

Quelle: UFOP (Nov. 2006): „Die aktuelle Biokraftstoff-Gesetzgebung“, S. 6

Im Gegensatz dazu ist die Besteuerung von Bioethanol als E85 geradezu sanft (1,2 bis 8,1 Cent/Liter). Auch hier die Frage: Ist diese ‚Schonung‘ von Bioethanol angesichts seiner geringen Energiedichte, seiner recht geringen Energieeffizienz (s.u.) und seines Einsatzes in Otto-Motoren, die weniger effizient den Treibstoff in Bewegung umsetzen als Diesel-Motoren, ausgewogen?

Und BtL (Biomass to Liquids oder SunFuel), der viel gepriesene Treibstoff der sog. 2. Generation mit der absolut geringsten Energieeffizienz bei seiner Herstellung?

Er wird bis 2015 von jeglicher Mineralölsteuer befreit, offenbar weil er nur großindustriell hergestellt werden kann und die herrschenden zentralen Strukturen nicht in Frage gestellt werden. Die enorme Ressourcen-Verschwendung bei seiner möglichen Herstellung wird überhaupt nicht berücksichtigt!

Eine neue Studie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie und des Forschungs-zentrums Jülich „Strategische Bewertung der Perspektiven für synthetische Kraftstoffe auf Basis fester Biomasse in NRW“ kommt zu bemerkenswerten Ergebnissen (maximale Ausbeute von 110 kg Kraftstoff je eingesetzter Tonne Holz (= 11%) und im günstigsten Fall (bei sehr niedrigem Biomasse-Preis) 0,85 € je Liter BtL-Preis an Tankstellen), jedoch höchst fragwürdigen Empfehlungen („Unter den flüssigen … Biokraftstoffen stellen BtL-Kraftstoffe die beste Option dar“ und „Hinzu kommt die Option …, im Rahmen von Lizenzen im Bereich der Kerntechnologien (bei der) Vergasung und FT-Synthese aktiv zu werden.“). Das heißt nichts anderes, als dass die Abwärme aus AKWs für die Vergasung von Biomasse und für die Fischer-Tropsch-Synthese dienen sollen, um die Effizienz des BtL-Verfahrens zu steigern (und AKWs weiter zu legitimieren?).

Zum Vergleich: die Effizienz von BtL beträgt 0,1 bis 0,2; von Bioethanol 1,3; von Biodiesel 3,1 und von Pflanzenöl aus Raps (konventionell angebaut) sogar 6,7 , d.h. der Energiegewinn ist 6,7-fach höher als der Energieaufwand für die Herstellung. Bei BtL dagegen wird im besten Fall nur 0,2 der für die Herstellung eingesetzten Energie wiedergewonnen!

An dieser Besteuerungsstrategie wird unmißverständlich erkennbar: Je größer die erforderli-chen Industrie-Anlagen, um den Biotreibstoff zu erzeugen (unabhängig von der Effizienz des Herstellungsprozesses), desto geringer ist die vorgesehene Besteuerung! Das hoch effiziente dezentrale Prinzip der Pflanzenöl-Gewinnung mit höchster Wertschöpfung für den ländlichen Raum dagegen wird ‚mit Füßen getreten‘, obwohl es einen wesentlich größeren Beitrag für die gesamte Volkswirtschaft leistet.

Einziger Trost: Es ist gelungen, Pflanzenöl für die Landwirtschaft im Eigenverbrauch über 2007 hinaus von der Mineralölsteuer zu befreien. Damit können Schlepper und anderes landwirtschaftliches Gerät vorzugsweise und wirtschaftlich mit Pflanzenöl betrieben werden. Auch Pflanzenöl als Treibstoff für den stationären Bereich, z.B. bei Blockheizkraftwerken, bleibt vorerst steuerbefreit.

Die Konsequenz des BiokrQuoGesetzes für Biodiesel und vor allem Pflanzenöl als Reinkraft-stoffe im Verkehr: Spätestens ab 2009 werden beide gegenüber Diesel-Kraftstoff nicht mehr wettbewerbsfähig sein, wenn man die gegenwärtige Preisentwicklung des Erdöls auf dem Weltmarkt zugrunde legt. Ab 2012 soll sogar die Vollbesteuerung greifen. Bedeutet dies das ‚Aus‘ für die Biokraftstoffe?

Heftig kritisiert werden von Fachleuten vor allem die starr festgelegten Steuersätze, die sich nicht an der dynamischen und kaum vorhersehbaren Preisentwicklung des Erdöls orientieren. Dadurch kann es leicht zur Überkompensation der Besteuerung kommen, weshalb Kritiker häufig von „Erdrosselungssteuer“ sprechen. Es hat jetzt schon eine Verunsicherung auf dem Pflanzenölmarkt und dem Biotreibstoff-Sektor stattgefunden: der geplante Bau von neuen Ölmühlen, Tankstellen und Umrüstbetrieben stagniert, der vorher ausgelöste Investitionsschub kommt ins Stocken und die Befürchtungen von ‚in den Sand‘ gesetzten Investitionen nehmen zu. Viele fühlen sich durch dieses Gesetz, das die Planungssicherheit des Vorgängergesetzes von 2004 in Frage stellt, betrogen.

Der Bundesverband Pflanzenöle e.V. (BVP) hat sich deshalb entschlossen, eine Doppelstrategie zu fahren, um das BiokrQuoG in der vorliegenden Form zu ‚kippen‘:

  1. Eine Verfassungsklage anzustrengen. Das BiokrQuoG wird als verfassungswidrig ange-sehen, weil es gegen das Prinzip des in der Verfassung verankerten Vertrauensschutzes verstößt. Vorgutachten von zwei Rechtsanwälten bescheinigen einer solchen Klage gute Aussichten auf Erfolg.
  2. Eine breit angelegte Informationskampagne in den nächsten 2 Jahren durchzuführen. Alle Bundestagsabgeordneten sollen in sorgfältig vorbereiteten Gesprächen in den jeweiligen Wahlkreisen über die ökonomischen und öko-sozialen Folgen dieser völlig verkehrten ‚Erdrosselungssteuer‘ für die gerade erblühende Wirtschaft in den Regionen Deutschlands umfassend informiert werden. Ein parlamentarischer Vorstoß auf Änderung dieses Gesetzes in unserem Sinne könnte die Folge sein.

Was können wir Solar-Initiativen zu dieser Doppelstrategie beitragen?

Es könnte unter uns Solar-Initiativen geben, die sich aufgrund ihres Engagements für Biotreibstoffe bei der Verfassungsklage beteiligen wollen. Und vielleicht gibt es Aktive unter uns, die an der Informationskampagne von Bundestagsabgeordneten in ihrem Wahlkreis mitwirken wollen.

Bitte in beiden Fällen, sich an E. Schrimpff wenden, der bezüglich der Verfassungsklage den Kontakt mit Marcus Reichenberg von „Mobil ohne Fossil e.V.“ herstellen wird. Marcus Reichenberg ist im Vorstand des BVP und leitet federführend das Projekt ‚Verfassungsklage‘. Die Informationskampagne wird federführend von E. Schrimpff geplant und koordiniert.

Liebe solare Mitstreiter:

Soweit unser Versuch, Euch neuere Informationen zukommen zu lassen und daraus Hand-lungsoptionen abzuleiten. Unser 14. Jahrestreffen am 3. Februar 2007 in Freising wird nicht nur dazu dienen, wieder Gedanken und Ideen auszutauschen, sondern erstmals auch drei Themenbereiche gemeinsam zu erarbeiten und vor allem Strategien zu entwickeln, wie wir am besten einer möglichen ‚Ausbremsung‘ der Erneuerbaren Energien in 2007 entgegenwirken können: die Novellierung des EEG steht an!

Mit sonnigen Grüßen,

Ernst Schrimpff
Hans-Josef Fell
Raimund Becher
Peter Rubeck
Sprecher der bayerischen Solarinitiativen